Unterschiedliche Reifungsarten

Der Ausbau ist die letzte, aber auch aufwendigste Phase der Sherry-Erzeugung. Dabei kristallisieren sich die charakteristischen Eigenschaften heraus, die für die Sortenvielfalt der Sherrys verantwortlich sind.

In der Region Jerez kommen zwei Ausbauarten vor: Entweder wird der Wein in Holzfässern gelagert, wobei eine langsame physikalisch-chemische Reifung einsetzt, die allgemein als "Alterung" oder "oxidativer Ausbau" bezeichnet wird, oder der "biologische Ausbau", bei dem der Wein schneller reift, weil die autochtonen Hefen den Schleier auf seiner Oberfläche ausbilden.

Die Hefe ist das A und O des biologischen Ausbaus. Sie schützt den Wein nicht nur vor der Oxidation, die Wechselwirkung der Hefen mit dem Wein bewirkt außerdem wesentliche Änderungen: So senkt sich der Alkoholgehalt infolge der Metabolisierung durch die Hefeschicht. Auch andere im Wein vorhandene Bestandteile wie Glycerin oder flüchtige Säure werden von der Hefe "verzehrt". Andererseits fördert der biologische Ausbau den Anstieg des Acetaldehyd-Gehalts, der für den beißenden Geruch dieses Weins verantwortlich ist.

Beim oxidativen Ausbau entstehen ganz andere Eigenschaften des Weins. Durch den höheren Alkoholgehalt und den direkten Kontakt mit dem Sauerstoff nimmt der Wein allmählich einen dunkleren Farbton an und ändert seine Eigenschaften, da bestimmte im Wein enthaltenen Stoffe durch die Fasswände diffundieren.

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“Der Ausbau ist zweifellos eine der wichtigsten Phasen der Sherry-Herstellung.”

Laut Regelung der D.O. muss der Ausbau mindestens zwei Jahre dauern, damit die typischen Eigenschaften der einzelnen Sorten ausgebildet werden können. Oft kann die Ausbauphase jedoch deutlich länger anhalten, um dem jeweiligen Wein seine typischen Charakterzüge zu verleihen.

Der oxidative Ausbau erfolgt statisch, das heißt Weine verschiedener Altersstufen werden nicht miteinander vermischt. In dieser Region ist jedoch das als Criaderas y Solera bekannte dynamische Ausbausystem verbreitet. Nur damit ist der biologische Ausbau machbar.

Das Fass

Welcher Behälter für die Sherryerzeugung verwendet wird, hat sich während der langen Geschichte des Weinbaus geändert. Mehr als zweitausend Jahre lang waren es Keramikbehälter, also Amphoren und Krüge. Seit dem Mittelalter wurden aufgrund der Weinproben (Sacas) und des Sherry-Versands Holzfässer nicht nur für den Transport, sondern auch für die Aufbewahrung und den Ausbau bevorzugt. Dieser Wandel war ein Meilenstein in der Geschichte des Weinanbaus dieser Region, da er nicht nur Struktur und Eigenschaften des Weins änderte, sondern wesentlich zur Entstehung der heutigen Sherry-Vielfalt beitrug.

Aufgrund des unterschiedlichen Raumangebots in den Kellereien wurden Behälter mit unterschiedlichem Fassungsvermögen, aus unterschiedlichen Materialien und Maßen verwendet. So gab es "Tonnen, Tönnchen, Transportfässer, dicke Fässer, lange Fässer, kurze Fässer, Halbfässer, Viertelmaße und vieles mehr" in den Weinkellern. Ihr Fassungsvermögen reichte von 900-Liter-Tonnen bis zu den 16,66-Liter-Fässern (was einer Arrobe entspricht). Unterschiedliche Holzarten wie Kastanie, spanische Eiche, amerikanische Eiche und andere wurden dafür verwendet.

Auch heute noch gibt es in den zahlreichen Kellereien unterschiedliche Behälter, am weitesten verbreitet ist das 600-Liter-Fass (was 36 Arroben entspricht) aus amerikanischer Eiche, das auch "Kellerfass" genannt wird. Aufgrund ihres besonderen Einflusses auf den Sherry wird diese Eichenart allen anderen Holzarten vorgezogen. Die Verwendung dieses Materials beginnt mit dem Handel mit Amerika. Von dort wurde das Holz nach Spanien importiert, und im Gegenzug wurden die Weine dorthin exportiert. 

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Ein in der Sherry-Region verbreitetes Gefäß: das 600-Liter-Fass aus amerikanischer Eiche

Die Fässer werden nicht komplett gefüllt: Die für den biologischen Ausbau der Weine verwendeten Fässer werden bis ca. 30 Arroben (500 Liter) aufgefüllt. Im oberen Bereich des Fasses verbleiben zwei "Handbreit" Luft. Genug, damit sich die Hefeschicht bilden kann.

Das Holzfass ist weder absolut luftdicht noch reaktionsträge, sondern sauerstoffdurchlässig. Außerdem absorbiert Holz das Wasser im Wein und gibt es an die Kellerumgebung ab. Diese Diffundierung führt zu einem Flüssigkeitsverlust im Fass. Dabei gilt: Je weniger feucht der Keller, umso höher der Flüssigkeitsverlust. Dieser "Schwund" macht jährlich rund drei bis vier Prozent des Gesamtvolumens des gelagerten Weins aus. Größtenteils diffundiert das im Wein enthaltene Wasser. Dies führt dazu, dass sich die Konzentration der restlichen Bestandteile permanent erhöht. Dieser Effekt kann nach Jahre des Ausbaus durch den Anstieg des Alkoholgehalts der Weine festgestellt werden, die ohne Hefeschicht altern. Die ist jedoch nicht die einzige Änderung, die sich vollzieht. Der Wein nimmt die charakteristischen Merkmale des Fassholzes an. Gleichzeitig reift er, weil ständig Sauerstoff durch das Holz in das Fassinnere dringt.

Das Solera- und Criadera-System

Die traditionelle und authentische Reifung der Sherrys wird als Criadera- und Solera- System bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein dynamisches Verfahren, bei dem die Weine unterschiedlicher Reifung miteinander vermischt werden. Dadurch sollen die bereits bei der Lese vorhandenen Eigenschaften auch im Endprodukt noch zu schmecken sein.

Die sachgemäße Alterungsmethode erfordert die Lagerung der Weine im Keller je nach ihrem Alter. Beim Solera-System gibt es verschiedene Criaderas, also Reihen mit einer festgelegten Fässeranzahl. Die Reihe mit dem ältesten Wein befindet sich ganz unten, daher auch ihr Name Solera (Boden). Darauf werden die jüngeren Weine - ebenfalls in Reihen - gelegt. Die Fässer werden dann durchnummeriert (1. Criadera, 2. Criaderausw.).

Aus der Solera, also der Reihe mit dem ältesten Wein, wird eine bestimmte Weinmenge des für den Konsum vorgesehenen Sherrys entnommen. Dieser Arbeitsgang wird mit Saca (Entnahme) bezeichnet, das heißt: Die Fässer leeren sich. Nun wird dieses Fass mit Wein aus der nächsten Ausbaustufe, also der ersten Criadera aufgefüllt. Die erste Criadera wird dann mit Wein aus der 2. Criadera nachgefüllt und so weiter, bis die Reihe mit dem jüngsten Wein erreicht ist. Diese wird mit Weinen aus dem Sobretablas- oder Añadas-System aufgefüllt wird. Die Auffüllung auf einer Reihe wird Rocío genannt. Dadurch werden beim Solera-System alle vorhandenen Jahrgänge miteinander gemischt. Die Entnahmen und Auffüllungen in den verschiedenen Reihen des Solera-Systems wird Correr Escalas (Etagenlauf) genannt. 

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Das Solera- und Criadera-System führt dazu, dass die ältesten Weine einerseits von einer Auffrischung durch die jüngsten Weine profitieren und dennoch ihre über die Jahre entwickelten Charakteristika bewahren.
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Sowohl der Ausbau unter der Flor-Schicht sowie das Criadera-Solera-System sind einzigartig in der Welt des Weins.

Die Mischung der Weine in der Solera, die auch Trasiegos genannt wird, muss äußerst behutsam geschehen und erfordert nicht nur besondere Vorrichtungen, sondern auch eine bestimmte Technik. Das auf diese Kellereiarbeiten spezialisierte Personal wird Trasegador (Umfüller) genannt. Diese müssen nach der Vermischung den Wein im Fass homogenisieren, und dabei dürfen weder der im biologischen Ausbau vorhandene Hefeschleier, noch die sich im Laufe der Jahre am Fassboden abgesetzten Ablagerungen - Cabezuelas genannt - zerstört bzw. aufgewirbelt werden.

Die Menge des entnommenen Weins und der Zeitpunkt der Entnahme sind strikt festgelegt und hängen von den charakteristischen Merkmalen des Weins und damit von der Ausbauzeit ab.

Die durchschnittliche Ausbauzeit für einen Wein im "Solera"-System wird durch den Quotienten bestimmt, der sich ergibt, wenn das gesamte Weinbestand im System durch die Menge der jährliche Entnahme geteilt wird. Laut Vorgaben des Kontrollrats muss dieser Quotient größer als zwei sein. Denn nur Weine mit mindestens zweijährigem Ausbau dürfen in den Handel.

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"El trasiego": Das Mischen der Weine in der Solera wird mit äußerster Vorsicht und ausschließlich von dafür spezialisierten Mitarbeitern vorgenommen.

Das Solera-System wirkt sich auf die charakteristischen Merkmale des Weins aus, da durch die Vermischung dafür gesorgt wird, dass alle Weine dieselben Eigenschaften aufweisen.

Außerdem fördert das Solera-System den biologischen Ausbau unter der Hefeschicht, da die Weine in der Phase der Schleierbildung einem intensiven und ständigen Stoffwechsel der Hefe ausgesetzt sind. Dafür braucht es Nährstoffe, was durch die Zugabe kleiner Mengen Wein aus jungen Jahrgängen erreicht wird. Auf diese Weise kann die Hefekultur über Jahre hinweg am Leben gehalten werden.

Die ständige Umfüllung der Weine führt außerdem dazu, dass sich eine bestimmte Menge an Sauerstoff in den Fässern auflöst. Hierdurch wird die Neubildung und das Wachstum des durch die Umfüllung leicht beschädigten Hefeschleiers angeregt. Der Sauerstoff wird jedoch schnell durch die Hefe verbraucht, so dass der Wein rasch wieder unter der trägen Hefeschicht geschützt ist. Bei Solera-Weinen, die nicht biologisch, sondern herkömmlich ausgebaut werden, beschleunigen die Sauerstoffzugaben beim Umfüllen die Oxidationsprozesse der Weinreifung.

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Das Geheimnis des biologischen Ausbaus (für Fino, Manzanilla und Amontillado Sherrys) ist die Florhefe - eine Schicht, die die Oberfläche des Weins abdeckt und ihm seine einzigartigen Charakteristika verleiht.

Funktionale Architektur

Die komplexen Abläufe beim Ausbau und der Alterung der Sherrys verlangen nach bestimmten Umgebungsbedingungen, die bei dem in der Region Jerez vorherrschenden Klima nicht immer gegeben sind. Das warme Klima, das jedoch stark vom Atlantik beeinflusst wird, ist durch erhebliche Temperaturschwankungen und Änderungen der Luftfeuchtigkeit - je nach Ost- oder Westwind - gekennzeichnet. Das hat die Kellereibesitzer in Jerez dazu gezwungen, ihrer Kellereien so zu bauen, dass die negativen Folgen dieses Klimas gemildert und die positiven entsprechend genutzt werden.

Die Kellereien im Marco de Jerez sind eine wahre Augenweide, die auch durch ihre Abmessungen beeindrucken. Auch ihre Funktionalität spricht Bände.

Die Form, Fassade und das Dach der Kellerei schützen den Innenbereich vor ungewünschten klimatischen Bedingungen. Temperaturschwankungen werden dank dicker Mauern, die den Austausch von Feuchtigkeit und Luft ermöglichen, vermieden. Die Temperaturen bleiben bei Tag und Nacht annähernd gleich. Die Kellereien werden an strategisch günstigen Orten erbaut. So können die sanften, vom Atlantik kommenden Winde aus Süd und West ins Gebäude eindringen. Insbesondere die nächtlichen, mit Feuchtigkeit beladenen Brisen, sind für die Entwicklung der Hefe unentbehrlich.

Der rechteckige Kellereigrundriss wurde an die Nordwest-/Südostachse angepasst, damit die Feuchtigkeit in das Innere eindringen kann. Zugleich ist die Kellerei vor den schädlichen trockenen und warmen Winde aus Nordosten und Osten abgeschirmt. Außerdem sorgt diese Lage der Kellerei dafür, dass die Mauern nur wenige Stunden am Tag der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.

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Die kathedralenartigen Bodegas von Jerez gehören zu den beeindruckendsten Bauwerken der Weinarchitektur.

Die Kellereien in Jerez sind ungewöhnlich hohe Gebäude. Einige Zentralbogen sind bis zu 15 Meter hoch. In den Innenbereich gelangt somit viel Luft. Die Hefeschicht wird optimal mit dem notwendigen Sauerstoff versorgt. Der große Kellerraum ist quasi isoliert, seine Temperatur und Feuchtigkeitsgehalt werden so reguliert. Weht kein Wind vom Atlantik, sorgt die Temperaturdifferenz für den Austausch von Luft und Feuchtigkeit. Wärme steigt grundsätzlich nach oben. Deshalb wird über hohe Freiräume in den Ost- und Westmauern eine senkrechte und waagerechte dynamische Strömung erzeugt. So wird die warme Luft nach außen gedrückt wird.

Die Südfassade wird im Sommer durch Bäume und Beschattungs-Pergolas in den nebenliegenden Straßen vor intensiver Sonneneinstrahlung geschützt. Die Pflanzen absorbieren das Sonnenlicht und bilden eine Art atmungsaktive Decke. Diese wiederum filtert die sanfte Brise, die in die Kellereien eindringt und sorgt für eine hygrometrische Regulierung. Wenn die Mauern im Winter frei liegen, da sich kein Laub mehr an den Bäumen befindet, sorgen die mit Kalk verputzten großen Mauern für eine bessere Absorbierung des Sonnenlichts. Die Wärme wird gespeichert und nachts in das Kellerinnere abgegeben. 
Die Fenster befinden sich normalerweise im oberen Drittel der senkrechten Außenwände. Sie sind klein, rechteckig oder quadratisch und symmetrisch angeordnet. Die tragenden Balken der Dachstruktur sind so konstruiert, dass eine Luftzirkulation in Richtung zur Längsachse der Halle möglich ist. Die hohen Fenster und die Espartograsmatten lassen trotz der unterschiedlichen Position der Sonne ein diffuses Licht ins Innere gelangen. Neben der Regulierung der Helligkeit im Gebäudeinnern dienen die Matten als Filter. Sie verhindern, dass Staub oder Insekten in die Kellerei gelangen. Durch das ständige Dämmerlicht in der Kellerei kommt es nicht zu extremen Temperaturschwankungen und der Sherry in den Fässern kann in Ruhe reifen.

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Ausbaukellerei

Die Längswände der Kellereien sind aus statischen Gründen grundsätzlich mehr als 60 cm dick und bieten zugleich eine gute Wärmeisolierung. Die Mauern sind aus hygroskopischen Materialien, was den hohen Feuchtigkeitsgrad ermöglicht. Der Boden ist mit Kreideboden bedeckt und wird je nach Jahreszeit zur Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung gegossen. Der Kreideboden ist sehr porös, was für eine hohe und andauernde Kühlung sorgt. Denn er gibt das Wasser nur allmählich wieder an die Umgebung ab, nachdem er sich vollgesogen hat.

Die spezielle Architektur der Kellereien ermöglicht also eine ideale Umgebung für den Wein und führt zu optimalen Bedingungen für den Ausbau.

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Die architektonischen Besonderheiten der Kellereien führen zu einem Mikroklima, das für den Weinausbau optimal ist.